Rechts-
beratung
– Rechtliches kompakt und verständlich erklärt –
Ein Service für unsere Mitglieder – unser Justiziar Dr. Christian Koller beantwortet Ihre Fragen. Hier veröffentlichen wir regelmäßig juristische Einschätzungen zu relevanten Fragen. Haben Sie eine rechtliche Fragestellung? Wenden Sie sich gerne an unsere Geschäftsstelle unter kontakt (at) bdrh.de.
Christian Koller
Fachanwalt für Medizinrecht
Schwerpunkte:
Medizinrecht, Arzthaftpflichtrecht, Vertrags(zahn)arztrecht, (zahn)ärztliches Berufsrecht, Arztstrafrecht, Krankenhausrecht, Apothekenrecht, Arzneimittel- und Medizinprodukterecht
Kanzlei:
TACKE KOLLER Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB, München
www.tacke-koller.de
Expertenanfrage Entfernung ausgelagerter Praxisraum (03.05.2024)
Frage: Ich habe eine Kassenpraxis in ländlicher Gegend und plane einen ausgelagerten Praxisraum in 20 Kilometer Entfernung zur Praxis. Gibt es für die Entfernung eines ausgelagerten Praxisraums eine Begrenzung?
Antwort: Ein ausgelagerter Praxisraum muss sich in räumlicher Nähe zu dem bestehenden Vertragsarztsitz befinden. Das BSG hat in seiner neuesten Rechtsprechung bereits Zweifel an dem Einhalten des Tatbestandsmerkmals der räumlichen Nähe geäußert, wenn die Räumlichkeiten innerhalb einer Großstadt mehr als 9 km bzw 11 km auseinanderliegen (Urteil vom 08.08.2018 – B 6 KA 24/17 R). Soweit Sie ihre Praxis in einer ländlichen Region haben, vertritt beispielsweise das LSG Brandenburg, dass Entfernungen von mehr als 30 Km nicht hinnehmbar seien. Das Argument, dass die ausgelagerten Räumlichkeiten innerhalb von 30 Minuten mit dem Auto erreichbar seien, wird von der Rechtsprechung nicht als zwingend angesehen.
Sie müssen den ausgelagerten Praxisraum gegenüber der KV anzeigen. Soweit dies zutrifft, führen Sie dabei aus, dass Sie den ausgelagerten Praxisraum in weniger als 30 Minuten erreichen können und auch für Notfälle an beiden Standorten innerhalb kürzester Zeit erreichbar sind.
GmbH und Co KG (14.03.2024)
Frage: Ist nach dem neuen Gesellschaftsrecht auch für Ärzte eine GmbH und Co KG möglich?
Antwort: Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) werden sowohl die offene Handelsgesellschaft (OHG) als auch die Kommanditgesellschaft (KG) – und damit auch die GmbH & Co. KG – für die freien Berufe geöffnet. Hierdurch besteht die Möglichkeit für Gesellschaften eine weitreichende Haftungsreduzierung der Gesellschafter zu erreichen. Anders als bei Partnerschaftsgesellschaften ist die Haftung dann nicht nur auf berufliche Fehler beschränkt, sondern auch für alle anderen Verbindlichkeiten (Miete, Gehälter, Leasingraten etc). Dies wäre vor allem für Ärzte aus Bundesländern interessant, in denen eine GmbH für Gemeinschaftspraxen verboten ist (z.B. Bayern). Ärzte, die mit dieser Gesellschaftsform liebäugeln, müssen sich aber noch gedulden, da diese Möglichkeit berufsrechtlich für Ärzte (noch) nicht umgesetzt wurde.
Rheumaleistungen Flüchtlinge (14.02.2024)
Frage: Wir behandeln derzeit sehr viele Flüchtlinge aus der Ukraine. Ist auch die Behandlung chronischer Erkrankungen wie Rheuma bei Flüchtlingen möglich oder dürfen hier nur akute Behandlungen durchgeführt werden? Sind dabei ASV-Leistungen möglich?
Antwort: Soweit eine rheumatische Erkrankung akute Schmerzen verursacht, ist in jedem Fall eine Behandlung nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gerechtfertigt. Dieser Begriff ist nach meinem Verständnis weit auszulegen. Also greift er auch dann, wenn die Behandlung der akuten Erkrankung oder der Schmerzzustände untrennbar eine Therapie des Grundleidens voraussetzt oder bei chronischen Erkrankungen, die sonst akut werden würden.
Aber auch Leistungen, wenn deren Behandlung zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind und chronische Erkrankungen vermeiden können, sind erstattungsfähig. Liegt dabei jedoch kein akut behandlungsbedürftiger Fall vor, sind diese Leistungen gemäß § 6 AsylbLG von einer Genehmigung der zuständigen Behörde abhängig.
Hingegen ist eine Aufnahme der Flüchtlinge in die ASV nicht möglich. Kostenträger für ASV-Leistungen sind die Krankenkassen, hingegen für die Flüchtlinge die Städte, Landkreise und Bezirke.
Ersatzbeschaffung Impfstoffe (15.12.2023)
Frage: Aufgrund eines Lagerungsfehlers unsererseits sind unsere Impfstoffe kaputt gegangen. Wir haben daraufhin nochmals Impfstoffe angeschafft. Die Kassen regressieren nun gegen uns, weil die Ersatzbeschaffung unwirtschaftlich sei. Ist das zutreffend?
Antwort: Ja, Sie sind zur Regresszahlung verpflichtet. Das Bundessozialgericht sieht die Ersatzbeschaffung quasi als unwirtschaftlich an, weil der Ersatzverordnung kein Nutzen gegenüberstehe. Der Schaden der Krankenkassen bestehe darin, dass diese erneut für Impfstoffe zahlen müssten, nachdem die zuvor bereits verordneten und von den Krankenkassen bezahlten Impfstoffe vernichtet wurden, ohne dass sie den Versicherten zugutegekommen seien. Dies gilt zumindest für die Ersatzbeschaffung von Impfstoffen, die aufgrund eines Lagerungsfehlers, der durch von der Praxis zu verantworten ist, erforderlich wird.
Einbeziehung angestellter Ärzte in der ASV (13.11.2020)
Frage: Ob und in welcher Form können in einer Praxis oder einem MVZ angestellte Rheumatologen im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) tätig werden – wenn diese nicht auf einem Vertragsarztsitz als Angestellte durch den Zulassungsausschuss genehmigt sind?
Antwort: Die gesetzlichen Regelungen sind zu dieser Frage recht eindeutig, dass nur an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser berechtigt sind, ASV-Leistungen zu erbringen (§ 116b Abs. 2 S. 1 SGB V). Dementsprechend setzt die Teilnahme an der ASV immer die generelle Berechtigung voraus, gegenüber GKV-Patienten Leistungen erbringen zu dürfen. Die Leistungserbringung innerhalb der ASV durch angestellte Ärzte ist zwar generell zulässig. Auch diese müssen aber zur Erbringung von Leistungen gegenüber GKV-Patienten berechtigt sein. An dieser Einschätzung ändert auch nichts, dass auch die Leistungserbringung durch Weiterbildungsassistenten im Rahmen der ASV als zulässig erachtet wird. Auch diese müssen durch die KV genehmigt werden. Darüber hinaus, sind Weiterbildungsassistenten zudem direkt in der ASV-Richtlinie (ASV-RL) benannt. Zu beachten ist allerdings, dass Weiterbildungsassistenten lediglich in die Leistungserbringung durch ein berechtigtes Teammitglied unter entsprechenden Beschränkungen einbezogen werden dürfen.
Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, dass eine Leistungserbringung durch einen angestellten Privatarzt in der ASV rechtlich nicht zulässig ist. Da die ASV-Leistungen außerbudgetär vergütet werden, können allerdings auch über eine genehmigte Teil-Anstellung neben der „normalen“ vertragsärztlichen Tätigkeit ASV-Leistungen erbracht werden, ohne dass diese Budgetbeschränkungen unterliegen. Zudem wird vertreten, dass auch genehmigte Sicherstellungsassistenten in der ASV Leistungen erbringen können. Letzteres empfehlen wir aber, da sich dazu bislang noch keine verbindliche Rechtsmeinung herausgebildet hat, sich durch den zuständigen erweiterten Landesausschuss vor Beginn der Leistungserbringung bestätigen zu lassen.
LANR im Vertretungsfall (05.05.2020)
Frage: Ich bin Praxisinhaber und habe einen angestellten Arzt. Dieser ist nun seit mehreren Wochen arbeitsunfähig krank. Ich werde ihn nun vertreten. Auf welche LANR muss ich die Leistungen abrechnen, die ich für ihn erbringe?
Antwort: Leistungen, die in Vertretung für einen erkrankten angestellten Vertragsarzt erbracht werden, dürfen nicht unter der LANR des erkrankten Arztes abgerechnet werden. Vielmehr sind die erbrachten Leistungen unter der LANR des tatsächlich tätig gewordenen Arztes abzurechnen.
Geschieht dies nicht, muss der erkrankte Arzt bzw. Sie als Praxisinhaber das Honorar für diese Leistungen zurückzahlen (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt das Urteil des Sozialgerichts Dresden, Beschluss vom 23.1.2020 – S 25 KA 18/20 ER). Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass Sie der Kassenärztlichen Vereinigung die Krankheit und Vertretung anzeigen.
Scheinselbständigkeit bei freiberuflicher Tätigkeit eines Kollegen (10.09.2019)
Frage: Ich bin in Einzelpraxis niedergelassen und möchte zu meiner Entlastung einen jungen Kollegen beschäftigen. Eine Anstellung kommt für ihn jedoch aus steuerlichen Gründen nicht in Betracht. Gibt es die Möglichkeit einer freiberuflichen Tätigkeit in meiner Praxis?
Antwort: Eine freiberufliche Tätigkeit in Ihrer Praxis ist nur möglich, soweit Sie mit dem ärztlichen Kollegen eine Berufsausübungsgemeinschaft gründen. Ansonsten erfordert die Tätigkeit in Ihrer Praxis einen Anstellungsvertrag. Eine Beschäftigung auf freiberuflicher Basis zur Behandlung gemeinsamer Patienten unter Einbindung in Ihre Praxisorganisation führt in der Regel zur Scheinselbstständigkeit. Es drohen Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern und strafrechtliche Konsequenzen. Alternativ können Sie mit dem Kollegen eine Organisationsgemeinschaft gründen. Dies setzt aber voraus, dass der ärztliche Kollege einen eigenen Patientenstamm erhält bzw. aufbaut und getrennt von Ihrer Praxis abrechnet.
keine Zwangszuweisung durch KV (22.02.2019)
Frage: Ist die Kassenärztliche Vereinigung berechtigt, im Rahmen der Terminvermittlung von Kassenpatienten einen bestimmten Arzt zu verpflichten, einen Patienten zu behandeln?
Antwort: Diese Frage hat das Landessozialgericht (LSG) Thüringen in einer aktuellen Entscheidung verneint (Urteil v. 06.06.2018 – L 11 KA 1312/17). Die KV Thüringen hatte einen Patienten, der selbstständig keinen Facharzt für eine notwendige augenärztliche Behandlung finden konnte, im Rahmen der Terminvermittlung per Bescheid einer bei einem Vertragsarzt angestellten Fachärztin zugewiesen, die unterdurchschnittlich im Verhältnis zu ihrem Versorgungsauftrag tätig war.
Nach Auffassung des LSG Thüringen muss jedoch ein Vertragsarzt eine derartige Patientenzuweisung durch die KV nicht dulden. Für eine derartige Zwangszuweisung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Aus der Verpflichtung des Vertragsarztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 Abs. 3 SGB V) könne keine Befugnis der KV abgeleitet werden, gesetzlich Krankenversicherte durch Verwaltungsakt einem bestimmten Vertragsarzt zuzuweisen. Könne die KV keinen leistungsbereiten Arzt finden, müsse sie vielmehr eine Krankenhausbehandlung anbieten.
BAG-Zuschlag für Einzelpraxis (10.09.2018)
Frage: Ich führe eine internistische Praxis mit einem angestellten Arzt im Rahmen eines Job-Sharing. Steht der Praxis ein BAG-Zuschlag zu?
Antwort: Die Frage ist derzeit umstritten. Das Sozialgericht München musste einen Fall entscheiden, in dem eine Einzelpraxis mit einem Angestellten im Job-Sharing den Zuschlag begehrte. Das Gericht sah dabei keinen Anspruch des Arztes auf Gewährung eines „BAG-Zuschlags“.
Eine Job-Sharing-Anstellung bei einer „Einzelpraxis“ führe nicht zur Entstehung einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) im Sinne des § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV. Es handele sich dann nach wie vor um eine Einzelpraxis, wenn auch um eine solche „sui generis“ (Urteil vom 21.03.2018 – S 38 KA 338/17).
Hingegen vertrat das LSG Hamburg in seinem Urteil vom 25.02.2015 (Az. L 5 KA 10/12) eine modifizierte Ansicht. Bei einer vertragsärztlichen Job-Sharing-BAG werde lediglich dem unbeschränkt zugelassenen Vertragsarzt ein Regelleistungsvolumen zugewiesen. Hieraus folge aber nicht, dass die erhöhte Honorierung vertragsärztlicher Leistungen um eine Aufschlagsregelung ausgeschlossen sei. Bei der Job-Sharing-BAG handele es sich nämlich um eine BAG und nicht um eine Einzelpraxis. Letztlich stimmen jedoch beide Entscheidungen dahingehend überein, dass eine Einzelpraxis mit einem Angestellten im Job-Sharing keinen Anspruch auf einen BAG-Zuschlag hat.
Chronikerziffer für Fachinternisten (22.01.2018)
Frage: Dürfen wir als Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie die hausärztliche Chronikerpauschale abrechnen oder ist diese ausschließlich den Hausärzten vorbehalten?
Antwort: Angesichts der im hausärztlichen und im fachärztlichen Versorgungsbereich unterschiedlichen Vergütungssystematik können nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Einzelpositionen nicht aus dem hausärztlichen Bereich für Ärzte geöffnet werden, die im fachärztlichen Versorgungsbereich tätig sind. Eine gleichheitswidrige Benachteiligung fachärztlicher Internisten kann angesichts der unterschiedlichen Vergütungssystematik von vornherein nicht daraus abgeleitet werden, dass eine bestimmte GOP aus dem hausärztlichen Versorgungsbereich nicht zur Verfügung steht.
Vor diesem Hintergrund ist es den Rheumatologen verwehrt, die Chronikerpauschale für ihre rheumatologisch erkrankten Patienten anzusetzen, auch wenn sie dabei den gleichen Mehraufwand haben wie die Hausärzte.